Deutschland bis 1906

Der erste Kraftwagen mit vier Rädern wurde 1886 von Gottlieb Daimler gebaut. Mit einem Einzylinder-Viertaktmotor erreichte man eine Höchstgeschwindigkeit von 18 km/h. Am 1.8.1888 wurde der erste Führerschein Deutschlands für Karl Friedrich Benz ausgestellt. In Frankreich erließ der Pariser Polizeipräsident am 14.8.1893 eine Anordnung, wonach Motorfahrzeuge nur mit polizeilichen Erlaubnis benutzt werden durften. Gleichzeitig wurde verlangt, dass eine Metallplatte mit dem Eigentümernamen, dessen Adresse und einer von den Behörden vergeben Nummer immer am Automobil mitzuführen sei. Nach heutigem Kenntnisstand handelt es hierbei um die ersten bekannten Nummernschilder der Welt. Auch Deutschland zwang der zunehmende Verkehr mit Kraftfahrzeugen die Behörden zu Überlegungen, wie man diesen besser organisieren und auch überwachen konnte. Anfangs mussten Schilder mit Namen und Adresse des Eigentümers, teilweise auch nummeriert, am Fahrzeug geführt werden. Man erkannte schnell, dass diese Schilder während der Fahrt nicht zu lesen waren. Zur leichteren Identifizierung der Fahrzeuge, aber auch um Verkehrsrowdies bestrafen zu können (immerhin gab es schon die ersten Verkehrstoten durch Automobile) führte man Schilder mit Erkennungsnummern ein. 

Hessen führte 1900 als erster deutschen Bundesstaat die landesweite Kfz-Registrierung ein. Andere Länder folgten.Die Kennzeichnung der Automobile erfolgte in verschiedenen Varianten: 

  1. Ein Schild „an ins Auge fallender Stelle“ mit dem Namen und Wohnort des Besitzers – Pflicht in: Baden, Bayern, Elsaß-Lothringen, Sachsen-Altenburg, RB Sigmaringen und Württemberg;
  2. Nur eine Erkennungsnummer – Pflicht in: Bremen, Hamburg und Lübeck; Fakultativ in: bayerischen Städten mit mehr als 50000 Einwohnern;
  3. Ein Unterscheidungszeichen und eine Erkennungsnummer – Pflicht in: Anhalt, Braunschweig, Hessen, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Preußen (außer RB Sigmaringen), Reuß jüngere Linie`**, Sachsen, Sachsen-Meiningen, Schaumburg-Lippe und Waldeck;
  4. keine Kennzeichen: Lippe*, Reuß ältere Linie*, Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Weimar-Eisenach, Schwarzburg-Rudolstadt* und Schwarzburg-Sondershausen*.

Mit * - keine Verordnung bis 1906, was aber nicht bedeutet, dass die Automobile nicht doch bestimmten Regularien unterlagen. ** keine offiziellen Dokumente bekannt.

 Übersicht über die Unterscheidungszeichen

1900-1906 (ohne Hessen und Baden)

 

Unterscheidungszeichen

Zulassungsbezirk

Geltungsdauer

A

Berlin

1902-1906

A

Anhalt

1902-1945

Berlin

Berlin

1901-1902

BG

Braunschweig, Landkreis

Braunschweig

1903-1906

BL

Braunschweig, Landkreis Blankenburg

1903-1906

BR

Braunschweig, Stadt Braunschweig

1903-1906

Brandenburg

Preußen, Provinz Brandenburg

1901-1902

C

Preußen, Provinz Ostpreußen

1902-1906

D

Preußen, Provinz Westpreußen

1902-1906

E

Preußen, Provinz Brandenburg

1902-1906

GM

Braunschweig, Kreis Gandersheim

1903-1906

H

Preußen, Provinz Pommern

1902-1906

Hannover

Preußen, Provinz Hannover

1901-1902

HE

Braunschweig, Kreis Helmstedt

1903-1906

Hessen-Nassau

Preußen, Provinz Hessen-Nassau

1902

HO

Braunschweig, Kreis Holzminden

1903-1906

J

Preußen, Provinz Posen

1902-1906

K

Preußen, Provinz Schlesien

1902-1906

M

Preußen, Provinz Sachsen

1902-1906

Mecklenburg-Schwerin

Mecklenburg-Schwerin

1902-1906

Mecklenburg-Strelitz

Mecklenburg-Strelitz

1902-1906

Oldenburg

Oldenburg

1903-1906

Ostpreußen

Preußen, Provinz Ostpreußen

1901-1902

P

Preußen, Provinz Schleswig-Holstein

1903-1906

Posen

Preußen, Provinz Posen

1901-1902

R.j.L.

Reuß jüngere Linie

1904?-1906

Rheinprovinz

Preußen, Provinz Rheinprovinz

1902

S

Preußen, Provinz Hannover

1902-1906

Sachsen

Preußen, Provinz Sachsen

1902

Schlesien

Preußen, Provinz Schlesien

1901-1902

SL

Schaumburg-Lippe

1903-1945

SM

Sachsen-Meiningen

1905-1920

T

Preußen, Provinz Hessen-Nassau

1902-1906

W

Waldeck

1902-1929

Westfalen

Preußen, Provinz Westfalen

1902

WO

Braunschweig, Wolfenbüttel

1903-1906

X

Preußen, Provinz Westfalen

1902-1906

Z

Preußen, Provinz Rheinprovinz

1902-1906

I  (römische Ziffer)

Sachsen, KH Bautzen

1901-1945

II            

Sachsen, KH Dresden

1901-1945

III           

Sachsen, KH Leipzig

1901-1945

IV           

Sachsen, KH Chemnitz

1901-1945

V            

Sachsen, KH Zwickau

1901-1945

 

Wie man unschwer erkennen kann fehlte immer noch eine gesamtdeutsche Lösung. Nach langen Diskussionen einigte man sich im deutschen Bundesrat 1906 auf eine Mischung der bestehenden Systeme. Einige Bundesstaaten erhielten eine römische Ziffer vor den vorhanden Buchstaben. Aus A für Berlin wurde I A usw. Die kleinen Bundesstaaten behielten ihre Buchstaben (A für Anhalt) bzw. erhielten erstmalig eigene Kennzeichen (CG für Sachsen-Coburg-Gotha). Sachsen konnte sein eigenes System unverändert weiterführen. Im Reichsanzeiger veröffentlichte man den folgenden Zulassungsplan:

Deutsches Reich 1906

 Plan für die Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge

1.        Preußen: Ziffer I und für die Provinzen die Buchstaben A, C, D, E, H, K, M, P, S, T, X, Y, Z , mithin: IA, IC usw.

2.        Bayern: Ziffer II und Buchstaben A, B usw.

3.        Sachsen (Königreich): Die Ziffern I, II, III, IV, V

4.        Württemberg: Ziffer III und Buchstaben A, B usw.

5.        Baden: Ziffer IV und die Buchstaben A,B usw.

6.        Hessen: Ziffer V und die Buchstaben: A, B usw.

7.        Mecklenburg-Schwerin: MI

8.        Sachsen (Großherzogtum): S

9.        Mecklenburg-Strelitz: MII

10.     Oldenburg: O

11.     Braunschweig: B

12.     Sachsen-Meiningen: SM

13.     Sachsen-Altenburg: SA

14.     Sachsen-Coburg-Gotha: KG

15.     Anhalt: A

16.     Schwarzburg-Rudolstadt: SR

17.     Schwarzburg-Sondershausen: SS

18.     Waldeck: W

19.     Reuß ältere Linie: RA

20.     Reuß jüngere Linie: RJ

21.     Schaumburg-Lippe: SL

22.     Lippe: L

23.     Lübeck: HL

24.     Bremen: HB

25.     Hamburg: HH

26.     Elsaß-Lothringen: Ziffer VI und Buchstaben A, B, C

 In den Monaten Juni bis September 1906 stimmten alle Bundesstaaten (außer Schwarzburg-Rudolstadt: Zustimmung zum 01.01.1907) den Empfehlungen des Bundesrates per Gesetz zu, sodass diese ab 01.10.1906 einheitliches deutsches Recht wurden. Bereits damals legte man einheitliche Kennzeichenmaße fest. In der landeseigenen Umsetzung gab es drei Abweichungen: 1. Preußen führte für die Provinz Sigmaringen den Buchstaben L ein, 2. Hessen verwarf die Buchstaben A,B,C und nutze unterdessen die Anfangsbuchstaben der einzelnen Landesteile: O, R und S, sowie 3. Sachsen-Coburg informierte das Reichsamt für Inneres darüber, dass man abweichend von Bundesratsbeschluss das Unterscheidungszeichen CG einführt. Dies lag sicher daran, dass man im Herzogtum Coburg mit C schrieb, in Preußen dagegen mit K. Die Einführung der Zollkennzeichen erfolgte gleichzeitig zum 01.10.1906. Der Vorschlag Ziffern auf einem ovalen Schild zu verwenden stammte von Preußen. Die Kraftfahrzeugzulassung im Deutschland wurde endgültig 1909 reichsweit einheitlich geregelt. Im „Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen“ werden die im Prinzip noch heute gültigen Regeln veröffentlicht. Ein Jahr später werden in einer Bundesratsverordnung weitere Konkretisierungen vorgenommen. Es wurde u.a. die obligate Haftpflicht für Kraftfahrzeughalter eingeführt.

 

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